Die Bezirksregionenprofile der Staakener Großwohnsiedlung No 2:

BZR Heerstraße: jung, arm und ungesund

Eigentlich müssten doch alle Entscheider:innen genau hier mit Begeisterung dabei sein, um tüchtig zu investieren, in die Begleitung von jungen Familien mit Kids, in Bildung, Berufsorientierung, Ausbildung und in gute Zukunftsaussichten. Denn hier, in der Bezirksregion leben – anders als die übliche, eher auf dem Kopf stehende Alterspyramide – viele, die jetzt und in Zukunft gut dazu beitragen könnten, die Renten sicherer zu halten. Vor allem in den oben gezeigten Planungsräumen “Maulbeerallee”, mit doppelt und in der “Wissell-Siedlung” mit nahezu doppelt so vielen jungen Leuten von 0-25 Jahren, als Senior:innen im  jeweiligen Planungsraum (siehe “Heerstraße-Steckbrief 2023 Teil 1” v. gestern).

Aber weit davon entfernt: Denn trotz der deutlich über den Spandauer (6,64%) und Berliner (5,35%) Zahlen liegende Arbeitslosigkeit in den fünf Planungsräumen der BZR Heerstraße (9,35%) und erst recht der gegen den Trend sogar zweistelligen Arbeitslosigkeit im PLR 26 “Wissel-Siedlung” (12,77) und im PLR 27 “Maulbeerallee” mit 15,38% (inkl. Steigerung von knapp über 2%) – wurde jüngst sogar für das Jahr 2027 das Aus verkündet, für die Unterstützungen aus dem Städtebauförderprogramm des Sozialen Zusammenhalts.

Eher nebenbei: Nur im Bereich der Jugendarbeitslosigkeit, so die Zahlen von 2020 im BZR-Profil, nehmen nicht die zwei Planungsräume der Großwohnsiedlung (PLR26 – 6,44% + PLR27 – 7,05%)  den Negativ-Spitzenplatz ein, sondern der ganz am Stadtrand zu Dallgow-Döberitz gelegene, fast dörfliche Planungsraum 24 Döberitzer Weg, mit 7,83%!

Für all die Kritiker:innen von Bürgergeld inklusive den Unkenrufen über “Arbeitsscheue Bezieher:innen von Transfereinkommen” sollten die Tabellen und Daten auf S. 4/5 des BZR-Profils im “Gesamtindex Soziale Ungleichheit” zur Pflichtlektüre werden. Darin geht es um den “Transferbezug von Nicht-Arbeitslosen“, also im Wesentlichen um Kinder und Jugendliche sowie um sog. “Aufstocker:innen” die in ihren Jobs nicht ausreichend verlohnt werden.

Das sind in der BZR Heerstraße 24,10% und in den beiden Großsiedlung-Planungsräume Nr. 26 bzw. 27 reicht sogar der Platz für die grafische Darstellung des Balkens nicht aus. Die “Wissell-Siedlung” kommt trotz des Rückgangs um -3.9% auf “stolze” 32,98% der Transferbezüge von Nichtarbeitslosen und im PLR “Maulbeerallee” sind es sogar 38,87 %, bei einer Minus-Veränderung in 2019-2020 von -1,89%.

Ganz besonders erschreckend, der Transferbezug der unter 15jährigen: In der Rudolf-Wissell-Siedlung sind es mit 67,37% mehr als zwei Drittel aller unter 15jährigen im PLR und im PLR Maulbeerallee beziehen sogar 71,88% aller unter 15jährigen Transfergelder! Zum Vergleich: Berlin 26,88%, Spandau 37% und die Bezirksregion Heerstraße kommt auf “stolze” 52,72%  obwohl die PLR Döberitzer Weg (9,84%) und “Pillnitzer Weg” (5,90%) sogar noch unter der 10%-Marke bleiben.

Auch bei dem Bezug von Grundsicherung im Alter liegen die zwei PLR der Großwohnsiedlung an erster Stelle (PLR26 – 10,27% + PLR27 – 17,11%) jedoch mit weitaus geringeren Abständen zu den anderen PLR (auch “Pillnitzer Weg” erreicht über 9%) und der Bezirksregion Heerstraße (9,35%) sowie zum Berliner (6,48%) bzw. Spandauer Durchschnitt (6,38%).

Aber noch ein Mal einen Blick zurück auf die Lage von Kindern in der Bezirksregion BZR Heerstraße. Es geht um den “Anteil der minderjährigen unverheirateten Kinder (MUK) in alleinerziehenden Bedarfsgemeinschaften (BG) nach SGB II, an den Einwohner:innen unter 18 Jahren in 2021“: Obwohl von 2020 auf 2021 die Zahl in der BZR mit -1,19% leicht rückläufig war, so ist sie mit 21,40% doch fast doppelt so hoch wie im Land Berlin (11,10%) und deutlich mehr als in Spandau (15,03%).

Leider werden diese Zahlen im Steckbrief 2023 nicht nach den fünf Planungsräumen der BZR Heerstraße aufgelöst, aber wie wir schon so oft aus den Familienzentren, den Offenen Familienwohnungen oder dem Offenen Frauentreff am Loschwitzer Weg und den Angeboten der sozialen Beratung in Einrichtungen der Großwohnsiedlung an Heerstraße und Magistratsweg gehört haben, wird es doch so sein, dass auch bei den “Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern” die Planungsräume 26 + 27 der Großwohnsiedlung, wohl den mit Abstand größten Anteil tragen werden..

Kein Wunder, dass auf S. 3 des Steckbriefs, im “Gesamtindex Soziale Ungleichheit” -– also bzgl. des Niveaus der soz. Benachteiligung der Planungsräume in der BZR im Vergleich zu den insgesamt 536 untersuchten Berliner PLR – die PLR 26 + 27 im unrühmlichen Status “sehr niedrig” und bezüglich der Dynamik (Entwicklungspotenziale) eher negativ und mit einem hohen Maß an Aufmerksamkeitsbedarf eingestuft sind (s.Abb.).

Der Gesundheitsindex im Minusbereich
Ganz am Ende und ganz düster: …jung und arm” aus der Überschrift können wir abhaken, es bleibt “nur” noch das “ungesund”, zu dem der Steckbrief der BZR Heerstraße auf Seite 6 ein klares Bild zeichnet mit dem “Gesundheitsindex 2022”:

Hier geht es um die räumliche Verteilung von gesundheitlichen Belastungen der Bevölkerung. Dazu sind bestimmte Indikatoren festgelegt worden, von Sterblichkeit über Häufigkeit von stationären Behandlungen und ausgewählten Diagnosen, wie Herzinsuffizienz, bösartigen Erkrankungen an Lunge und Bronchien etc. aber auch von Diagnosen “Psychische und Verhaltensstörungen durch Alkohol” die stationär behandelt werden müssen …

Auch wenn die Spandauer Bezirksregion Gatow/Kladow einen echten Spitzenplatz – quasi auf dem 3. Treppchen aller Berliner Bezirksregionen – einnimmt, mit einem positiven Indexwert von +1,52, so stehen dann die acht weiteren Bezirksregionen Spandaus alle im Minus der Indexwerte und vier davon sogar im letzten Viertel der 138 Berliner BZR:
Haselhorst auf Platz 109 von 138 | Falkenhagener Feld auf 123 von 138 | 
Heerstraße mit Index -1,50 auf Platz 125 | Spandau-Mitte Index -1,52 auf 126 v. 138!

Kein Wunder, dass Spandau im Bezirksvergleich (s. Abb am Ende des Beitrags) nur knapp vor Neukölln in der Kategorie “ungünstig” auf dem vorletzten Platz liegt und zudem mit +0,4 Jahren mit den geringsten Anstieg der Lebenserwartung im Vergleich zum Jahr 2013 zeigt.

Ja, wie in der Überschrift behauptet: “jung , arm und ungesund” … aber in einem Punkt, auf Seite 7 im Bereich “Wohnen” nimmt die Bezirksregion Heerstraße eine positive Top-Position ein:

Beim “Anteil der Einwohnenden (Ew) mit mindestens 5 Jahren Wohndauer an der Adresse …“:
Volle 71,69% der Ew in der BZR Heerstraße sind seit mind. 5 Jahren an derselben Adresse ansässig und somit 4,69 Prozentpunkte über dem Spandauer Wert und 5.66 Prozentpunkte über dem Berliner Durchschnitt. Innerhalb der BZR an der Spitze die Planungsräume 27 Maulbeerallee (72,91%), 28 Weinmeisterhornweg (72,32%) und 26 Rudolf-Wissell-Siedlung (70,80%).

Hohe Heimatverbundenheit oder spielt doch eher die Tatsache eine Rolle, dass hier in der Staakener Großwohnsiedlung mit die berlinweit günstigsten Mietpreise erhoben werden und außerdem für einen Umzug meist das zur Verfügung stehende Geld zu knapp bemessen ist?

zum download – Nachlesen und Checken:
Profil Bezirksregion Heerstraße Steckbrief 2023 Teil 1 pdf

Die Steckbriefe der Bezirksregionen in Spandau wurden vom Bezirksamt Spandau von Berlin, in ämterübergreifender Kooperation erstellt, von der
• “Organisationseinheit Qualitätsentwicklung, Planung und Koordination – QPK 6” der Abteilung Jugend und Gesundheit
Link zu berlin.de/BA Spandau – News OE QPK – BZRP Steckbriefe 
sowie dem
• Stadtentwicklungsamt – Bau 2 STEP 2 – “Strategische Stadtentwicklungsplanung und Projektmanagement” der Abteilung Bauen, Planen, Umwelt- und Naturschutz.
Link zu berlin.de/BA-Spandau – Stadtentwicklungsplanung 

(Abb. Gesundheitsindex Bezirke Berlin)

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