“Alle Kinder rufen laut – Eure Zeit wird uns geklaut” so die Demo-Parole der Kids am 23. März in der Zuversichtskirche am Brunsbütteler Damm. Zeit geklaut, sogar bis zum Stillstand, wurde jedoch nur auf der Bühne und eindeutig alle Gäste der Premiere des Inklusiven Theaterprojekts von Lothar Bärsch aus der Evangelischen Kirchengemeinde zu Staaken, in der Bühnenfassung nach dem Kultroman der 70er Jahre, Momo von Michael Ende, empfanden den kurzweiligen Samstagabend als ein Geschenk und Gewinn an Zeit, Fantasie und Inspiration.
Nach der abenteurlichen Reise zu Asteroiden und Planeten mit merkwürdig einsamen und einseitig orientierten Bewohnern des Kleinen Prinz von Saint-Exupéry vor gut zwei Jahren, hat Lothar Bärsch für sein zweites Inklusive Theaterprojekt mit Momo wiederum ein Stück ausgesucht, das sich kritisch mit einer von Effizienz und Profit geprägten Gesellschaft auseinandersetzt. Keine leichte Unterhaltungskost “nur für Kinder” sondern ein sehr tiefgründiges Bühnenwerk, für das der Diakon der Ev. Kirchengemeinde mit seinen 18 jungen wie auch älteren Mitwirkenden auch das gehörige Maß an Muse = Zeit benötigte.
Alles in allem rund 504.000 Sekunden, 8.400 Minuten oder 140 Stunden für Auseinandersetzungen mit Ideen, Texten und für Proben gingen der perfekt geglückten Premiere am vorletzten Samstag im März voraus.
Herausgekommen ist eine fantastisch für die räumlichen, technischen und auch finanziellen Möglichkeiten zugeschnittene Inszenierung der auf vielen auch namhaften Bühnen umgesetzten Fassung von Vita Huber des Romans von Michael Ende. Spot an, Spot aus – Szenenwechsel im Minutentakt und doch genug Muße um in den “dunklen Sekunden” des Bühnenumbaus den oft gewichtigen Worten und Gedanken auf der Spur zu bleiben.
Schade nur, dass es mit der geplanten zweiten Aufführung im “Heerstraßen-Kiez” – pikanterweise aus Zeitmangel und Zeitnöten – nicht mehr geklappt hat.
Kurz die Geschichte: Ein seltsames Mädchen namens Momo, das urplötzlich in der Ruine des alten Amphitheaters auftaucht. Sie besitzt nichts, nicht einmal Schuhe und ist doch reich. Reich an Zeit und reich mit der Gabe ausgestattet zuzuhören und die richtigen Fragen zu stellen … So sind bald viele Kinder aber auch Erwachsene, wie Beppo der Straßenkehrer, Gigi die Geschichtenerzählerin, Nicola der Maurer oder Nino der Wirt … als beste Freunde oft und gerne zum Spielen oder Quatschen bei Momo im Amphitheater – und allen geht es seitdem für sich und miteinander einfach nur besser; Zuhören, Spaß haben, Probleme lösen: das alles braucht Zeit, und die haben Momo und ihre Freunde im Überfluss.
Bis die Grauen Herren von der Zeitsparkasse kommen und ihnen auf die Sekunde vorrechnen wieviel Zeit sie für Nutzloses verschenken und wie sehr sie gewinnen würden wenn Sie ihnen und ihren Konten ihr Kostbastes, ihre Zeit überlassen würden. Schon ist es vorbei mit Müßiggang und den gemeinsamen Treffen mit Momo. Dafür hat niemand mehr Zeit – auch nicht mehr für die eigenen Kinder, sie werden im Depot untergebracht wo sie von klein auf nur Effektives und Nützliches lernen und ausüben dürfen
Eine aber stört die Geschäfte der grauen Herren, Momo, die selbst den Versuchen widersteht, sie mit der lebensgroßen Spielzeugpuppe Bibigirl zu bestechen. Stattdessen entlockt Momo dem Agent der Grauen das Geheimnis der Zeitsparkasse und Meister Hora, der Hüter der Zeit, schickt seine Helferin, die Schildkröte Kassiopeia aus um Momo zu ihm zu führen. Denn den grauen Herren mit ihren dicken Zigarren aus getrockneten Stunden gehört alle Zeit und alle Welt.
Bevor er einschläft und die Zeit stillsteht stattet er Momo mit der Stundenblume aus, die ihr ermöglicht sich zu bewegen und am Ende den grauen Zeitdieben das Handwerk legt. Am Ende sind alle Freunde wieder mit Momo im Amphitheater vereint aber es bleiben Zweifel ob die Erinnerung an die schreckliche Zeit der Unterdrückung durch die grauen Herren auch eine bleibende Wirkung hat und Meister Hora wendet sich an das Publikum und ermahnt, dass die Geschichte gestern, heute oder auch morgen geschehen ist, gerade geschieht aber auch noch geschehen kann.

























[…] Dienstag hat gezeigt: es wird, nach dem kleinen Prinz (s. Artikel v. Februar 2017) und Momo (s. Artikel v. April 2019) das dritte spannende und sehenswerte große Theaterprojekt, das Lothar Bärsch zusammen mit rund […]
Vielen Dank für diese durchaus gelungene und hocheinschätzende Rezension. Eine schöne zusammenfassung des Stück.
Beim nächsten Stück gibt es auch wieder mehr Aufführungen.
Bos dahin wird euch jede Stunde euch einen Gruß von mir senden.
LG Meister Hora (Magnus Fenske)