“Ein guter Ort um über ‘Soziale Stadt’ zu reden, weil solche Kulturzentren für das Leben in einer Großsiedlung überaus wichtig sind”, so begann die Bundesbauministerin Dr. Barbara Hendricks ihr Einleitungsreferat bei der Podiumsdiskussion “Die soziale Stadt” am Mittwoch im Kulturzentrum Gemischtes.
Ein guter Ort für diese Diskussion auch – wie Spandaus Bürgermeister dann später bei seinen Ausführungen noch einmal aufgriff –, “da hier auch eines der Probleme von ‘Soziale Stadt’ erkennbar wird, nämlich, dass nach dem Aufbau der Einrichtung aus dem Städtebauförderungsprogramm nun die weitere Finanzierung und somit Aufrechterhaltung des Betriebes, den Bezirk und natürlich den Gemeinwesenverein als Betreiber des Kulturzentrums in Staaken wiederholt vor große Probleme stellt.”
Ganz besonders dann – und das wurde nicht gesagt – wenn ausgerechnet der Anteil im komplizierten Finanzierungsmix des “Gemischtes” wegfällt, der aus dem Netzwerkfonds (Nachfolge von Aktionsraum plus) der Städtbauförderung weiterhin bestritten werden sollte. (siehe: Muss Gemischtes schließen, Juli 2014)
Wie wichtig das “Gemischtes” für den Stadtteil und den Spandauer Süden geworden ist, zeigen nicht nur die vielen Kulturveranstaltungen, Kurse und Workshops die hier Woche für Woche stattfinden, sondern gerade auch die Podiumsdiskussionen bei denen der Spandauer Bundestagsabgeordnete der SPD Swen Schulz schon so oft zu vielen interessanten gesellschaftspolitischen Themen, prominente und kompetente Gäste auf die Bühne und viele Interessierte aus anderen Stadtteilen in die Großsiedlung an den westlichen Stadtrand brachte.
So auch am vergangenen Mittwoch, mit der für die Städtbauförderung des Bundes verantwortlichen Ministerin Dr. Barbara Hendricks, dem für das Land Berlin zuständigen Staatssekretär für Bauen und Wohnen Dr. Engelbert Lütke Daldrup, dem Spandauer Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank und, für die Soziale Stadt vor Ort, Cornelia Dittmar, die das Quartiersmanagement in Heerstraße seit nun schon zehn Jahren leitet.
” Soziale Stadt ist wieder das Leitprogramm der Städtebauförderung des Bundes!” Die Bundesregierung der großen Koalition hat, wie Dr. Barbara Hendricks betont, die radikalen Kürzungen im Bundesetat für das Programm “Soziale Stadt” der schwarz-gelben Regierung nicht nur rückgängig gemacht, sondern für das laufende Jahr sogar auf 150 Mio EUR aufgestockt.
Damit können nach den dürren Jahren endlich wieder in noch mehr Quartieren der dicht besiedelten Regionen Investitionen in die soziale Infrastruktur getätigt werden, bei denen eine gesunde soziale Durchmischung der Wohngebiete, ein gutes Miteinander als Basis für ein gutes Zusammenleben, bessere Chancen in Bildung und Beruf sowie mehr Grün und mehr Barrierefreiheit im Vordergrund steht.
Diese Grundsätze von Soziale Stadt stehen laut Barbara Hendricks auch über allen weiteren Aufgaben der Städtebauförderung von Denkmalschutz, Stadtumbau bis Zentrenbildung und mit den 150, von insgesamt 700 Mio, hat Soziale Stadt auch die entsprechend leitende Position.
Massive Mietpreissteigerungen im Verbund mit Verdrängung der angestammten Anwohnerschaft in so manchen Ballungsgebieten stellen für die Städtebauförderung genauso eine Herausforderung dar, wie der in einigen Städten und Regionen der neuen wie auch alten Bundesländern zu verzeichnende Einwohnerschwund aufgrund fehlender einkömmlicher Lebensperspektiven vor Ort.
Mit der Aussage: “Wir wollen Städte und Quartiere die durchmischt sind und keine nur für Rechtsanwälte oder nur für Verkäuferinnen”, hat Barbara Hendricks ein Thema angesprochen, das dann die spätere Diskussion im Saal beherrschte und das andere politische Instrumente braucht, die nicht aus dem Programm der Städtebauförderung zu generieren sind.
Aber die ressortüberrgreifende Aufgabe und Wirkung von Soziale Stadt mit dem “QM als Manager des Netzwerkes von Behörden, Schulen, Kirchen und Vereinen” ist ein gutes Beispiel für Lösungsansätze vor Ort.
“Mehr Engagement des Bundes verpflichtet die Länder auch zu mehr Engagement”, damit hat der Staatssekretär für Bauen und Wohnen beim Senator für Stadtentwicklung und Umwelt und zuvor als Staatssekretär beim Bundesbauministerium für die Städtebauförderung zuständige Dr. Engelbert Lütke Daldrup auf einen Umstand hingewiesen, der gerade in Berlin eine besondere Bedeutung hat. Denn die Kürzungen der CDU/FDP-Bundesregierung wurden damals nahezu komplett aus dem Landeshaushalt ausgeglichen. Die Aufstockungen bei “Soziale Stadt” des Bundesetats führen aber nun nicht zu Einsparungen an der Spree, denn der 1/3-Finanzierungsgrundsatz (1/3 Bund, 1/3 Land, 1/3 Kommune) bewirkt, dass Berlin als Land und Kommune zwei Drittel aus dem Landeshaushalt aufzubringen hat.
Bei der großen Zahl von 34 Quartieren in Berlin, von denen die meisten innerstädtische Altbauquartiere sind, kommt den Großsiedlungen an den Stadträndern, gerade auch angesichts der sog. Gentrifizierung, eine wachsende Bedeutung zu. Um die “Großsiedlungen attraktiver zu machen” stehen neben “Soziale Stadt” auch die Programme Stadtumbau Ost aus dem viele Plattenbausiedlungen saniert aber auch rückgebaut wurden und das Pendant für Stadtumbau West zur Verfügung, mit dem so manchen infrastrukturelle Defiziten der Großwohnsiedlungen, wie z.B. im Falkenhagener Feld, entgegengewirkt wurde.
Wie bereits berichtet, werden im Programmjahr 2015 für das Quartier Heerstraße für Aktionen, Projekte und für dringend notwendige Baumaßnahmen – konkret für die Modernisierung des Jugendzentrums STEIG und für Sanierung der CSO – die lokale Rekordsumme von 7,12 Mio Euro zur Verfügung gestellt und ab 2016 wird unser Quartier Heerstraße mit in das Programm Stadtumbau West aufgenommen. (siehe “7,12 Mio und Stadtumbau“)
Bei den Anstrengungen die benachteiligten Quartiere attraktiver zu machen, so Staatssekretär Lütke Daldrup, solle es künftig “nicht mehr auf das Etikett sondern nur noch auf das ankommen, was im Quartier notwendig ist.” – schade nur, dass dies anscheinend nur für ressortübergreifende Kooperationen aber nicht für das Kulturzentrum Gemischtes und die Richtlinien des Netzwerkfonds gilt.
Für Vorhaben und Projekte soll der Grundsatz gelten: ” .. vor allem mit den Bewohnern und das Engagement der Menschen im und für das Quartier fördern.” – schade nur, dass seit dem vergangenen Jahr genau diesem Grundsatz zuwiderlaufende Regelungen gelten, die nur noch eine geringe pauschale Summe für die Öffentlichkeitsarbeit im Quartier (für Stadtteilzeitungen und Webportale) zulassen und so wichtige Instrumente für Information und Aktivierung der Bewohnerschaft einschränken.
“Bevölkerungszuwachs kommt in Spandau in erster Linie von der Verdrängung Geringverdienender aus angesagten Innenstadtlagen an den vermeintlich unattraktiven Stadtrand mit den noch finanzierbaren Mietpreisen”, betont Bezirksbürgermeister Helmut Kleebank, der u.a. auf die aktuelle Spitzenposition der Havelstadt bei Minijobs und Aufstockern verweist.
Mit vier Soziale Stadt-Quartieren (Falkenhagener Feld West u. Ost, Neustadt, Heerstraße) sowie Städtebauförderung für Denkmalschutz und Zentrenbildung in der Altstadt und in der Wilhelmstadt erhält der Bezirk Mittel aus den Förderprogrammen von Bund, Land und auch EU.
So notwendig die zusätzlichen Finanzquellen für den Bezirk auch sind, sie bereiten aber auch manche Probleme. Angefangen damit, dass in den Bezirksverwaltungen das Personal fehlt für Planung, Bauleitung, kontrollierende Begleitung und Abrechnung der geförderten Maßnahmen. Letztlich, so fährt Helmut Kleebank fort, braucht der Bezirk auch dringend mehr Unterstützung um die mit Fördermitteln aufgebauten Einrichtungen in eine dauerhafte Regelfinanzierung zu überführen. Damit am Ende nicht nur Investitionen in Beton stehenbleiben.
“Wir wollen keine neue, andere Mischung der Bevölkerung, sondern bessere Chancen für die Menschen, die heute hier bei uns leben”. Mit den Worten hat Cornelia Dittmar, die Leiterin des beim Gemeinwesenverein angesiedelten Quartiersmanagements Heerstraße das umschrieben, was für all die von ihr dann vorgestellten Investitionen, Projekte und Aktionen im Quartier als oberste Maxime steht.
Dabei “sind die Bewohner/innen die wahren Experten für das Leben im Quartier, die deshalb auch die 1. Geige bei Auswahl und Ausführung der Projekte spielen sollen”.
Gerade in “Heerstraße” zeigt sich, so Cornelia Dittmar weiter, wie die Politik der Privatisierung der einst gemeinnützigen Wohnungsgesellschaften in vergangene Jahren mit dazu geführt hat, dass der Ortsteil mit rund 18.000 Einwohner/innen in eine Schieflage geraten ist. Wobei der hohe Wohnungsleerstand – mit ein Indikator für das Quartiersverfahren – inzwischen vollkommen beseitigt ist. Jedoch muss angesichts des andauernden Verdrängungsprozesses aus Innenstadtlagen befürchtet werden, dass irgendwann auch hier die Mieten für Geringverdienende unbezahlbar werden, was bereits heute Anzeigen von Vermietern aus stadtfernen Lagen in Brandenburg und Sachsen-Anhalt signalisieren.
Alles in allem eine äußerst interessante Veranstaltung der SPD Bundestagsfraktion, mit überaus kompetenten politischen und fachlichen Beiträgen über alle Bundes-, Landes-, Bezirks- und Quartiersebenen der Städtebauförderung, bei der nur am Ende – wie so häufig – die Zeit für Fragen und Antworten sowie Diskussion mit dem Publikum im vollbesetzten Saal des Kulturzentrums Gemischtes knapp wurde. So blieb gerade mal die Zeit für die drängendsten Fragen zur Miet- und Wohnungspolitik, zu Wohngelderhöhung und Anhebung der Einkommensgrenzen, wie auch zu den Reserven und Maßnahmen die einen Wohnungsbau zu günstigen Mieten in Berlin möglich machen sollen.
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